Der Rosenkreuzer-Schulungsweg wurde im 15. Jahrhundert durch Christian Rosenkreutz begründet, nachdem er selbst durch jene Einweihungserlebnisse gegangen war, die in Johann Valentin Andreaes Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459 (Lit.: Andreae) angedeutet werden. Die Rosenkreuzer-Schulung ist der angemessene Einweihungsweg für das Bewusstseinsseelen-Zeitalter, in dem wir gegenwärtig stehen. Sie löst den christlichen Schulungsweg ab, der heute nur mehr für wenige Menschen gangbar ist, weil er - wie bei allen früheren Einweihungswegen - eine zeitweilige, meist sogar länger dauernde Absonderung vom äußeren Leben erfordert. Der Weg der Rosenkreuzer kann hingegen inmitten des ganz normalen Alltagslebens, dessen Pflichten und Anforderungen man wie gewohnt nachkommt, gegangen werden, wie es schon durch Christian Rosenkreutz vorgezeichnet wurde:
„Am Ende seiner Schilderung der «Chymischen Hochzeit» deutet Andreae an, wie Christian Rosenkreutz «heimkommen» ist. In allen Äußerlichkeiten der Welt ist er derselbe, der er vor seinen Erlebnissen war. Seine neue Lebenslage unterscheidet sich von der alten nur dadurch, daß er fortan seinen «höheren Menschen» als den Regierer seines Bewußtseins in sich tragen wird, und daß, was er vollbringen wird, dasjenige werden kann, was dieser «höhere Mensch» durch ihn wirken mag.“ (Lit.:GA 35, S. 384)
Der anthroposophische Schulungsweg baut unmittelbar auf dem Rosenkreuzer-Schulungsweg auf.
Über die tieferen Gründe, die zur Begründung des rosenkreuzerischen Schulungsweges führten, dem sich auch die Anthroposophie verpflichtet fühlt, berichtet Rudolf Steiner:
„Christian Rosenkreutz ging in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts nach dem Orient, um den Ausgleich zu finden zwischen der Initiation des Ostens und jener des Westens. Eine Folge davon war die definitive Begründung der Rosenkreuzerrichtung im Westen nach seiner Rückkehr. In dieser Form sollte das Rosenkreuzertum die streng geheimgehaltene Schule sein zur Vorbereitung dessen, was der Esoterik öffentlich als Aufgabe zufallen müsse um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts, wenn die äußere Naturwissenschaft zur vorläufigen Lösung gewisser Probleme gekommen sein werde.
Als diese Probleme bezeichnete Christian Rosenkreutz:
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Die Entdeckung der Spektralanalyse, wodurch die materielle Konstitution des Kosmos an den Tag kam.
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Die Einführung der materiellen Evolution in die Wissenschaft vom Organischen.
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Die Erkenntnis der Tatsache eines anderen als des gewöhnlichen Bewusstseinszustandes durch die Anerkennung des Hypnotismus und der Suggestion.
Erst wenn diese materiellen Erkenntnisse innerhalb der Wissenschaft ausgereift wären, sollten gewisse rosenkreuzerische Prinzipien aus dem Geheimwissenschaftlichen in die öffentliche Mitteilung eintreten.
Für die Zeit bis dahin wurde die christlich-mystische Initiation in der Form dem Abendlande gegeben, in der sie durch den Initiator, dem «Unbekannten aus dem Oberland» erfloss in St. Victor, Meister Eckhart, Tauler usw.“ (Lit.:GA 262, S. 23)
„Im Jahre 1459 hat der eigentliche Begründer der Rosenkreuzerströmung selbst jene Stufe erlangt, durch die er die Macht hatte, auf die Welt so zu wirken, dass von ihm aus jene Einweihung der Welt gebracht werden konnte.“ (Lit.:GA 98, S. 45)
Die Weiterentwicklung des Rosenkreuzer-Schulungswegs vom Mittelalter bis zur Gegenwart